Vitamin D-Mangel wegen fehlender Anpassung
Ich finde es immer wieder sehr suspekt, wie kontrovers die Diskussionen um den Vitamin D-Mangel der Deutschen geführt werden. Auf der einen Seite gibt es Erhebungen, wie die Nationale Verzehrsstudie II aus dem Jahre 2008, die eindeutig belegen, dass die Mehrheit der Bevölkerung einen Mangel aufweist, und auf der anderen Seite wird von offiziellen Stellen von der generellen, vorbeugenden Einnahme abgeraten. Als Apotheker bin ich der Auffassung, dass mit Nahrungsergänzungen ebenso umsichtig umgegangen werden sollte, wie mit Medikamenten. Von manchen Sachen wissen wir einfach zu wenig, um richtig beurteilen zu können, ob sie wirklich in isolierter, konzentrierter Form unbedenklich sind, insbesondere bei langfristiger Einnahme. Für Vitamin D allerdings liegen mittlerweile zahlreiche Studien vor, die nicht nur die Unbedenklichkeit „vernünftiger“ Dosierungen nahe legen, sondern auch die hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit.
Nun kann man ja die Auffassung vertreten, dass es der menschlichen Natur entspricht, dass im Winter mangels Sonnenlicht der Vitamin D-Spiegel abfällt und man dieser Natur widerspricht, wenn man künstlich diesen Stoff ergänzt. Ich behaupte, der Vitamin D-Mangel ist die Folge einer fehlenden Anpassung des Menschen an seinen Lebensraum und wir tun gut daran, die Erkenntnisse die wir gewonnen haben zum Wohle unserer Gesundheit umzusetzen.
Den meisten dürfte bekannt sein, dass der moderne Mensch, der Homo Sapiens wie wir uns auch nennen, seinen Ursprung in Afrika hat. Dort herrscht das ganze Jahr über eine so hohe Sonneneinstrahlung, dass die Bildung von Vitamin D jederzeit gewährleistet ist. Vielmehr war das Überleben der Frühmenschen sogar nur dadurch möglich, dass sie durch eine sehr dunkle Hautpigmentierung vor übermäßiger Sonneneinstrahlung geschützt waren. Bei der Einwanderung auf die nördliche Erdhalbkugel passte sich der menschliche Organismus über Jahrzentausende zum Teil an die veränderten Lebensbedingungen an. Man geht davon aus, dass die reduzierte Hautpigmentierung den Grund hat, dass der Mensch auch bei schwächerer Sonneneinstrahlung noch ausreichend Vitamin D bilden kann. Trotz diverser Anpassungen, haben sich jedoch grundlegende Stoffwechselvorgänge des Menschen bis heute nicht verändert und sind genetisch fest veranlagt. Er ist unverändert abhängig von der Aufnahme essentieller Aminosäuren, Fettsäuren, Vitamine, Spurenelemente, Mineralien und eben auch von der Sonne. Dem Homo Sapiens ist es nicht „gelungen“, sich vollends an die geringere Sonneneinstrahlung in nördlichen Breiten anzupassen, indem er andere Wege „gefunden“ hätte, sein Vitamin D zu bilden, denn im Winterhalbjahr reicht die Strahlung nicht mehr aus. Für eine genetische Veränderung, bestand keine Notwendigkeit. Man überlebt den Winter ja trotzdem, auch mit Vitamin D-Mangel. Allerdings, und das ist der Knackpunkt, wie wir heute wissen, mit einem geschwächten Immunsystem und anderen gesundheitlichen Folgen.
Die Menschen im hohen Norden, die im Winterhalbjahr gar keine Sonne zu Gesicht bekommen, konnten die fehlende UV-Strahlung schon immer mit ihrer Ernährung ausgleichen. Fetter Fisch, der dort traditionell in größeren Mengen verzehrt wird, gehört zu den ganz wenigen Lebensmitteln, die einen ausreichenden, natürlichen Gehalt an Vitamin D haben. In Mitteleuropa gibt es von Natur aus keine Lebensmittel, mit nennenswertem Gehalt, die die fehlende Eigenproduktion im Winter ausgleichen könnten. Warum man trotz dieser Erkenntnisse von einer generellen, vorbeugenden Einnahme abrät, kann ich absolut nicht nachvollziehen.
Alles Liebe und bleibt sportgesund!
Euer Andreas Binninger