Nutrigenetik – Wie Nahrung gesund machen kann
Ein alter Spruch lautet „Du bist, was Du isst.“ Dass Ernährung und Gesundheit einen engen Bezug zueinander haben, ist inzwischen wohl jedem bekannt. Die Nutrigenetik ist ein Wissenschaftsbereich, der sich mit dem Einfluss von Nahrung auf unsere Gene beschäftigt und liefert einige spannende neue Erklärungen dafür, wie sich Nahrung auf die Gesundheit auswirken kann. Die Art und Weise ihrer Ernährung und die Auswahl ihrer Lebensmittel hat Spuren an den Genen unserer Vorfahren hinterlassen, die bis in unsere heutige Zeit reichen. Unterscheiden müssen wir zwischen unseren Erbanlagen, unserem Genom, an dem Änderungen nur langsam und über Jahr(zehn)tausende stattfinden und sogenannten epigenetischen Veränderungen. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei Epigenetik um das An- und Abschalten von Genen. Es entsteht also keine Änderung an den Erbanlagen selber, sondern an ihrer Aktivität. Epigenetik begleitet uns unser Leben lang. Sie ist die Erklärung für viele Anpassungsvorgänge des Menschen, wie zum Beispiel die Anpassung an verschiedene Klimazonen. Epigenetische Veränderungen werden inzwischen auch als Ursache für Erkrankungen diskutiert. Auslöser für epigenetische Veränderungen können verschiedenste Reize sein, wie beispielsweise Stress, Sorgen, Unfälle, Klimaveränderungen und Umweltgifte. Auch Nahrungsbestandteile können epigenetisch wirken. Prominentes Beispiel ist Epigallocatechin-3-gallat aus grünem Tee, das sogenannte Tumoresupressorgene wieder anschalten kann, die vor Krebs schützen. Recht jung sind Studienergebnisse die aufzeigen, dass epigenetische Veränderungen über die Mutter mit vererbt werden können. Es ist also naheliegend, dass wir mit dem Essen nicht nur Einfluss auf unsere eigene Gesundheit haben, sondern möglicherweise auch einen Teil der Gesundheit unserer Kinder mitbestimmen. Trotz der Spielräume, die uns die Natur mit der Epigenetik einräumt, um uns auf Veränderungen einzustellen, bleibt der größte Teil des menschlichen Stoffwechels und der Nahrung, die er dafür benötigt, weiter in den Genen festgeschrieben.
Wir sind abhängig von zahlreichen Mikronährstoffen
Manche betrachten die Abhängigkeit von essentiellen Nährstoffen eher negativ. Ich hingegen sehe sie positiv. Der Mensch hat als hoch organisierte Lebensform gelernt, dass zahlreiche Körperbausteine und Hilfsstoffe in der Natur üppig vorhanden sind und durch die Aufnahme von Nahrung zugeführt werden können. Das ist deshalb positiv, weil hierdurch viel Arbeit und Energie eingespart wird. Für die meisten Stoffwechselprozesse, chemischen Umbauten und Synthesen von Stoffen im lebenden Organismus, wird Energie benötigt. Energie, die zunächst erst einmal gewonnen und danach bereitgestellt werden muss. Ein nicht unerheblicher Kraftaufwand für unseren Körper, der immerhin hierfür einen riesigen Verdauungstrakt unterhält. Alles, was wir also nicht selbst in unserem Körper herstellen müssen, spart uns zusätzliche Arbeit und chemische Energie. Und dies wiederum versetzt uns in die Lage, mehr Energie, die wir aus Nahrungsmitteln gewinnen, für unser Überleben einzusetzen. Oder anders herum, die notwendige Menge energieliefernder Nahrungsmittel geringer zu halten.
Überleben durch Ausdauer
Unser Gehirn und unsere Muskeln sind wahre Energiefresser. Beide waren und sind für unser Überleben in der Vorzeit und unsere heutige hohe Entwicklungsstufe von entscheidender Bedeutung. Nur durch unsere hohe läuferische Ausdauer und unsere Intelligenz war es uns möglich, dem Fraßtod durch zahlreiche an Kraft und Schnelligkeit überlegene Raubtiere zu entgehen und selbst zum Jäger zu werden. Viele Raubtiere sind zwar schnell, aber nur über kurze Distanzen. Ihnen fehlt Ausdauer, so dass ihre Jagdversuche oft auch ins Leere laufen und der Räuber weiter hungern muss.
Unsere Ernährung hat sich verändert
In unserer zivilisierten Welt ist der unmittelbare körperliche Kampf um das tägliche Überleben nicht mehr an der Tagesordnung. Aber dafür leisten unsere Gehirne im Alltag mehr als je zuvor. Und obwohl Muskeln bei vielen nur noch im Rahmen von Freizeitaktivitäten wie z.B. Sport nennenswert beansprucht werden, ändert das nichts daran, dass unsere genetisch veranlagte Ernährungsstrategie noch die gleiche ist. Essentielle Stoffe aufzunehmen und so viel Energie wie nötig, um unser Gehirn und unsere Muskeln arbeiten zu lassen. Nur, unsere Ernährungssituation und unser Ernährungsverhalten haben sich dramatisch verändert.
Durch einseitige Ernährung fehlen wichtige Stoffe
Wir ernähren uns zu einseitig, mit Lebensmitteln hoher Energiedichte und in industrieller Verarbeitungsqualität. Wir nehmen weitaus mehr Energie auf, als unser Gehirn und unsere Muskeln verbrauchen. Dafür ist der Anteil pflanzlicher, energiearmer Nahrung stark gesunken. Mit der Folge, dass wir immer weniger wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe zu uns nehmen, die als Antioxidantien oder antibakterielle, antikanzerogene und verdauungsfördernde Stoffe wichtige Helfer für unseren Organismus zur Gesunderhaltung darstellen. Nehmen wir allein die große Gruppe von Kräutern und Gewürzen, die mit ihren ätherischen Ölen so wertvoll sind, dass einige von ihnen sogar als Arzneimittel verwendet werden. In vielen Fertgmahlzeiten finden wir Aromen, aber aus Kostengründen kaum noch echte Kräuter.
Hohes Alter durch die Medizin
Ihr könntet mir zwar jetzt entgegnen, dass wir gerade aufgrund unserer modernen Ernährung immer älter werden. Ein immer wieder gern vorgebrachtes Argument. Denn moderne Hygienestandards bei der Lebensmittelgewinnung sind sicher ein Grund, warum wir heute einige Infektionskrankheiten in Schach halten, die nur wenige Generationen zuvor noch viele Menschen das Leben gekostet haben. Aber schaut´s Euch an. Wir altern trotz dieser modernen Ernährung nicht gesund. Die Mehrheit der Menschen in unserer zivilisierten Welt leidet mit zunehmendem Alter an chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Stoffwechsels. Und so ist das hohe Alter letztlich kein Verdienst der modernen Ernährung, sondern vor allem der Medizin, die uns trotz unserer Erkrankungen noch am Leben hält. Erkrankungen die u.a. deshalb ausgelöst werden, weil wir uns immer mehr von der Ernährung entfernen, die uns genetisch vorprogrammiert ist. Allen voran der Diabetes mellitus, als Folge der ständigen Präsenz großer Mengen von Kohlenhydraten in unserer täglichen Ernährung, die unsere Vorfahren so nicht kannten.
Fazit – Warum natürliches Vitamin C gesünder ist
Über Jahrzehntausende hat sich der menschliche Organismus auf eine Vielzahl natürlicher Lebensmittel eingestellt und daran angepasst. In einem vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum haben wir unser Ernährungsverhalten dramatisch verändert. Was wir auf der einen Seite an Gesundheit durch bessere Hygiene, Antibiotika und andere medizinische Errungenschaften gewonnen haben, machen wir zum Teil durch schlechtes Essen wieder zunichte. Die moderne Forschung gibt uns Hinweise darauf, dass nicht nur der Mangel an Makro- und Mikronährstoffen, wie den Vitaminen und Spurenelementen, krank macht, sondern auch das Fehlen sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe Gesundheitsstörungen auslösen kann. Die Aussage, natürliches Vitamin C sei gesünder, hat nichts mit dem Vitamin C zu tun. Es sind die Begleitstoffe, u.a. zahlreiche pflanzliche Antioxidantien, die den Unterschied und Mehrwert bei natürlichen Lebensmitteln und Vitamin-C-Produkten im Vergleich zur reinen Chemikalie ausmachen. Nutrigenetik, Epigenetik und die Erforschung sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe sind noch lange nicht am Ziel. Vieles wissen wir noch nicht. Doch eines ist gewiss, pflanzliche Nahrungsmittel sind ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung und sollten jeden Tag dazugehören.
Alles Liebe und bleibt sportgesund!
Euer Apotheker Andreas Binninger