Was bringt die Einnahme von Vitamin E?
Vor einigen Jahren gab es einen regelrechten Boom mit hochdosierten Vitamin E – Präparaten. Die Werbung versprach Linderung bei Gelenkbeschwerden. Betrachtet man den Wirkmechanismus des Vitamins im menschlichen Organismus, so spielt es tatsächlich eine Rolle als Schutzfaktor gegen entzündliche Prozesse. Doch in der Praxis enttäuschten die Kapseln mit Vitamin E. Auch bei Studien schnitten die Produkte nicht sonderlich gut ab, wurden zum Teil sogar negativ und als mit Risiken verbunden bewertet. Das ist nicht verwunderlich, kennt man die biochemischen Zusammenhänge. Unser Körper ist sehr komplex und von vielen Mikronährstoffen abhängig. Erhöht man lediglich die Zufuhr eines einzelnen Stoffes, führt das nicht zwangsläufig zu dem gewünschten Effekt, wie man an diesem Beispiel sehr gut sehen kann.
Was ist Vitamin E
Im Gegensatz zu beispielsweise den Vitaminen C oder B1, handelt es sich bei Vitamin E nicht um eine einzelne chemische Substanz. Es ist ein Sammelbegriff für sogenannte Tocopherole, Tocotrienole, Tocomonoenole und weitere Verbindungen, die mit ∝-Tocopherol, dem bekanntesten und bestuntersuchten Vitamin E, verwandt sind und vergleichbare Eigenschaften im menschlichen Organismus aufweisen. Entdeckt wurde Vitamin E Anfang des vergangenen Jahrhunderts als ein fettlöslicher Faktor, ohne den Ratten sich nicht vermehren können. Hiervon leitet sich auch der Name ab. Er setzt sich zusammen aus den griechischen Worten Tocos (Geburt) und pherein (hervorbringen).
Starke Antioxidantien
Allen Vitamin E-Verbindungen ist gemein, dass sie sehr starke Antioxidantien sind. Aufgrund ihrer Fettlöslichkeit finden sie sich in sämtlichen Membranen tierischer und menschlicher Zellen. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, die in diesen Membranen enthaltenen Fette vor Oxidation zu schützen. Sie arbeiten dabei Hand in Hand mit den wasserlöslichen Antioxidantien, die sich außerhalb der Membranen befinden, z.B. dem Vitamin C, das in der Lage ist, Vitamin E zu regenerieren.
Fettoxidation löst Entzündungen aus
Bei verschiedenen krankhaften Prozessen löst die Oxidation von Membranfetten eine chemische Kettenreaktion aus, die zu vermehrter Bildung von Entzündungsbotenstoffen führt. Diese wiederum können die Zerstörung von Gelenken und andere entzündliche Prozesse, wie sie z.B. bei rheumatischen Erkrankungen vorkommen, fördern. Aus diesem Zusammenhang heraus entwickelte sich der eingangs erwähnte Trend, hochdosierte Vitamin E-Präparate zur Vorbeugung und unterstützenden diätetischen Behandlung von Gelenkerkrankungen einzusetzen. In der Praxis zeigte sich jedoch ein eher enttäuschender Effekt. Die Gründe hierfür liegen vermutlich darin, dass Entzündungsgeschehnisse sehr komplex sind und Vitamin E alleine nicht viel ausrichten kann.
Vielmehr entscheidet wohl ein insgesamt ausgewogenes Verhältnis aus wasserlöslichen und fettlöslichen antioxidativen Vitaminen, körpereigenen Antioxidantien und antioxidativen sekundären Pflanzenstoffen darüber, wie gut der menschliche Organismus mit Entzündungsvorgängen fertig wird.
Vitamin E – Mangel bei Fettverdauungsstörungen
Ein Mangel an Vitamin E ist für gesunde Menschen bei ausgewogener Ernährung in der Regel nicht zu erwarten, da viele Lebensmittel ausreichend davon enthalten. Empfohlen werden in der EU für Erwachsene 12mg täglich. Bei vielen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln liegt der Gehalt bei etwa 0,5 bis 1mg je 100g. Top sind die Nahrungsfette und -öle mit über 10mg bei z.B. Olivenöl sowie bis zu über 150mg beim Weizenkeimöl. Weil aber Fette und Öle generell als Transportvehikel für das Vitamin, auch aus anderen Nahrungsmitteln, dienen, können Menschen mit angeborenen oder erworbenen Fettverdauungsstörungen von einer Mangelversorgung betroffen sein, oder Menschen, die extrem fettarm essen. Auch die übermäßige, missbräuchliche Verwendung paraffinhaltiger Abführmittel kann zu einem Mangel führen. Paraffin entzieht der Nahrung im Verdauungstrakt die Tocopherole, wird selbst jedoch nicht in den Körper aufgenommen. Weitere Ursachen für eine unzureichende Versorgung sind radikale Diäten mit Nahrungsverzicht oder extrem einseitige Ernährung. Darüber hinaus steigt der Bedarf bei hoher und ausdauernder (sportlicher) körperlicher Betätigung an. Dem kann man allerdings leicht begegnen, indem man den Anteil pflanzlicher Fette in der Ernährung erhöht.
Fazit
Als wichtiger Teil eines sehr komplexen Schutzmechanismus des menschlichen Körpers, ist Vitamin E unverzichtbar. Bei ausgewogener Ernährung mit pflanzlichen Ölen, Fetten und Nüssen, ist eine Nahrungsergänzung für normal Gesunde in der Regel nicht erforderlich. Monopräparate zur unterstützenden Behandlung entzündlicher Erkrankungen oder zum Schutz vor oxidativem Stress, sind aus der praktischen Erfahrung heraus wenig hilfreich. Hier sollte der Fokus auf ganzheitlichen diätetischen Maßnahmen liegen und nicht auf Vitamin E alleine. Zahlreiche pflanzliche Heilmittel wie Brennnesselwurzel, Hagebutten oder Teufelskralle zeigen darüber hinaus schon als Monopräparate bessere Effekte, als wir sie bei Vitamin E-Monopräparaten beobachten konnten. Zu sinnvollen und weniger sinnvollen Nahrungsergänzungen, lasst euch deshalb am besten persönlich beraten.
Alles Liebe und bleibt sportgesund!
Euer Apotheker Andreas Binninger